Ludivine kam im Februar 2016 mit einem WHV nach Australien, um ein Praktikum zu absolvieren. Sie beschloss, ihren Aufenthalt, wie viele, durch das second year Visa zu verlängern. Dafür arbeitete sie 3 Monate auf einer Rinderfarm in Australien und teilt hier ihre Erfahrungen mit uns.

Kampf gegen die Zeit

Nach ein paar Monaten in Australien ist mir klar: Ich möchte länger als ein Jahr bleiben. Die einfachste Lösung,  die mir dafür zur Verfügung steht, ist natürlich ein zweites WHV. Das Problem ist allerdings, dass Ich nach Australien gekommen bin, um ein 6-monatiges Praktikum zu absolvieren. Aufgrund einiger unvorhergesehener Ereignisse einschließlich eines Praktikumswechsels, verlängert sich die Gesamtdauer meines Praktikums auf 7 Monate. Da es zudem ein Praktikumsabschluss war, musste Ich danach für einen Monat nach Frankreich zurückkehren, um meine Verteidigung zu bestehen.  

So hatte Ich am Ende nur 3 Monate und 2 Wochen Zeit, um eine Farm zu finden und dort meine 88 Tage zu arbeiten. Fast ein Ding der Unmöglichkeit. Als Ich nach Australien zurückkam, fing Ich deshalb an, alle möglichen Standorte anzufragen und so viele Farmen wie möglich anzurufen, um die passende Farm zu finden, mit der Ich mein Aufenthalt in Australien um ein Jahr verlängern kann.  Nach fast 2 Wochen intensiver Suche habe Ich immer noch keine positive Reaktion und fange an Panik zu schieben, da Ich nur noch 2-3 Tage Zeit habe, bevor meine 3 Monate auf einer Farm beginnen müssen. Ich versuche dabei zudem die 3 Monate auf der gleichen Farm zu bleiben.

So versuchte Ich, als letzten Ausweg, ein Post auf Facebook zu verfassen und diesen in verschiedenen Backpacker Gruppen zu posten. Und, Oh Wunder! Ein paar Tage später antwortet mir jemand in einer privaten Nachricht. Ein Mann, in den Fünfzigern, der mir erzählt, dass er einen Backpacker sucht, der auf seiner Rinderfarm in Australien hilft. Er hinterlässt mir seine Telefonnummer, damit Ich ihn anrufen kann, um den Job zu besprechen. Bei dem Telefonat erklärt er mir, was von mir erwartet wird und nennt mir seine Adresse.

Willkommen im Busch!

Am nächsten Tag packe Ich meinen Koffer, um auf die Rinderfarm mitten in Australien aufzubrechen. Zu diesem Zeitpunkt war Ich in Noosa an der Sunshine Coast. Also nahm Ich mein Auto und fuhr 7  Stunden landeinwärts. Das erste kleine Problem: Mein GPS erkennt die angegebene Adresse nicht, so dass Ich mich für eine ähnliche entscheide. Zum Glück hatte der Farmer mir vorher aber eine Wegbeschreibung geschickt. Dennoch wäre es beruhigender, das GPS nutzen zu können. Nach 7 Stunden bin Ich fast angekommen. Plötzlich verwandelt sich die Straße in eine Schotterpiste, mein GPS hat kein Signal und Ich hab kein Netz auf meinem Handy. Willkommen im australischen Busch!

Rinderfarm in Australien

Irgendwann finde Ich endlich das Grundstück und 3 km nach dem Briefkasten sehe Ich ein Haus, wo Ich auf den Farmer und seine Tiere treffe. Den nächsten Morgen habe Ich, um mich auf dem Hof einzurichten, am Nachmittag werden mir die verschiedenen Aufgaben erklärt. Hauptsächlich bin Ich für die Hausarbeit zuständig, Hühner und Hunde zu füttern und dafür zu sorgen, dass die Kühe Wasser haben. Dafür muss Ich Pumpen starten, die die Tränken jeden zweiten Tag mit Wasser versorgen und vor Ort helfen, beispielsweise beschädigte Absperrungen zu reparieren. Soweit, so gut!

Ich und die Bullen

Nach einem Monat auf der Rinderfarm in Australien, kündigt der Landwirt an, dass wir die Kälber identifizieren müssen, indem wir sie mit dem Brandeisen markieren und wir die verschiedenen Herden zusammen treiben müssen, um sie auf den „Hof“ zu bringen. Dort werden sie dann geimpft und die Männchen kastriert. Dieser Teil der Arbeit hat ziemlich viel Spaß gemacht, weil wir um die Herden herum geritten sind und versucht haben, sie zusammenzuhalten.

Rinder in Queensland

Der zweite Teil des Jobs war allerdings ein bisschen weniger lustig… Es fiel mir schwer diese Arbeit zu erledigen. Die Aufgabe bestand darin, die Kälber über den „Hof“  zu dem Farmer und seinem Sohn zu führen, der sie mit einem einfach Skalpell kastrierte, indem er die Haut über den Hoden durchschnitt, wodurch die Hoden herauskamen, welche er dann abnahm.

Den armen Tieren wurden immer noch mit dem Brenneisen markiert und ihre Hörner entfernt. Weil sie noch jung sind, sind die Hörner noch nicht entwickelt und eher wie ein Stück harte Haut. Diese Aufgaben haben mich angewidert, weil Ich Tiere liebe und sie nicht leiden sehen kann. Dazu kam noch die abgetrennten Hoden in einem Eimer zu sehen. Dies alles hat mich dazu gebracht mich fast übergeben zu wollen. Aber hey, das war eben auch Teil meiner Arbeit und auch Ich habe verstanden, dass es am Ende eben notwendig ist diese Aufgaben zu erledigen.

Die erste Begegnung mit „Bastard“

Diese Erfahrung war jedoch nicht nur negativ, da wir dabei ein kleines Kalb entdeckten, das keine Mutter mehr hatte. Es war gebrechlich und im Vergleich zu den anderen Kälbchen in der Hitze schnell erschöpft. Also trugen wir ihn mithilfe des Quads zum Haus, wo wir ein kleines Gehege bauten, wo sich das Kälbchen an uns gewöhnen konnte. Meine neue Aufgabe bestand nun darin mich, um dieses kleine Kalb zu kümmern, das wir liebevoll „Bastard“ nannten.

Er ist wirklich bezaubernd. Aber wir haben kein Glück. Er nimmt die Milch nicht an, die Ich ihm versuche zu geben. Ich versuche mit allen Mitteln, ihn zum Trinken zu animieren. Jeweils 4 Mal am Tag verbringe Ich etwa 2h mit ihm. Erst versuche Ich ihn aus einer Tränke zu füttern, dann mithilfe einer Flasche und dann einer Nachbildung des Euters. Aber nichts bringt ihn dazu, die Milch zu trinken, die wir ihm anbieten. Wir wechseln dann die Koppel, um zu sehen, ob er Grass frisst und zum Glück tut er dies auch. Aber Gras reicht in diesem Alter nicht aus, Bastard braucht die Milch. Der Farmer kauft Pellets, die als Milchersatz dienen und alle Proteine und sonstigen Nährstoffe enthalten. Diese frisst er zum Glück ohne Probleme.

Mittlerweile hat er sich auch an uns gewöhnt hat (nun vor allem an mich, anderen Menschen gegenüber ist er noch immer etwas skeptisch)und so braucht er auch kein Gehege mehr und bleibt im Haus.

auf einer Rinderfarm in Australien arbeiten

Nach und nach gewinnt er Selbstvertrauen und entfernt sich immer weiter vom Haus, um sich schließlich einer Herde anzuschließen. Obwohl es mich ein bisschen traurig macht, mein Baby gehen zu sehen, bin ich sehr stolz auf ihn und froh, dass seine Eingliederung in die Kuhherde auf so natürliche Weise erfolgt. Regelmäßig kommt er nach ein paar Tagen mit den Kühen nach Hause, um seine Pellets zu essen, bevor er  wieder geht.

Jetzt, wo Bastard mich nicht mehr braucht, um ihn zu füttern, habe ich auf dem Bauernhof nicht mehr viel zu tun und meine Tage werden lang … Ich putze, sehe fern, bade im Spa oder im See, aber ohne Gesellschaft langweile Ich mich.

Trotz des Mangels an menschlichem Kontakt und starker Einsamkeit waren diese drei Monate auf der Rinderfarm in Australien eine tolle Erfahrung und emotionsreiche Zeit.

 

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